Suchmaschinenoptimierung wird immer mehr zu einer analytischen Disziplin mit nicht zu unterschätzenden Auswirkungen auf strategische Unternehmensfragen und Entscheidungen. Dies zeigt sich auch am Beispiel von Aldi Nord und Aldi Süd. Interessant sind auch die Effekte der Organisationsstrukturen beider Unternehmen: dort, wo in der Offline-Welt eine Aufteilung der Zielmärkte nach geographischen Gesichtspunkten (Nord und Süd) erfolgt, so ist das im Online-Marketing nicht immer ganz so einfach.
Werfen wir aber zunächst einen Blick auf den Sichtbarkeitsverlauf (sistrix.de) der Domains aldi-nord.de und aldi-sued.de, um deren Analyse es hier gehen soll. Der Sachverhalt scheint zunächst eindeutig: Aldi Süd zeigt sich deutlich präsenter in den deutschsprachigen Google-Suchergebnissen, als Aldi Nord:
Ganz so eindeutig ist die Sache jedoch nicht, denn betrachten wir uns den Bereich, auf den es wirklich ankommt, die Top-10-Platzierungen, also die erste Suchergebnisseite, dann agieren beide Unternehmen auf Augenhöhe. Aldi Nord verfügt hier sogar über mehr URLs als die Schwester aus dem Süden:
Wie unterschiedlich, oder: wie ähnlich, werden die beiden Unternehmen von der Suchmaschine bewertet? Gehen wir davon aus, dass die Google-Suchergebnisse nicht rein zufällig zusammengestellt werden, lohnt sich ihre genaue Analyse. Sie kann uns nicht nur Aufschluss zu den Bewertungsalgorithmen geben, die hier zum Einsatz kommen, sondern uns ebenso viel zum Nutzerverhalten verraten, da Google Nutzersignale in die Zusammenstellung der Suchergebnisse einfließen lässt.
Lokalisierung: Gebietsschutz vs. Konkurrenz
Schauen wir uns dazu zunächst an, ob Google in der Lage ist, Aldi Süd und Aldi Nord geographisch korrekt voneinander zu trennen. Die folgende Abbildung zeigt, wie oft der in der linken Spalte aufgeführte Begriff in den Platzierungen von aldi-nord.de (linke Spalte) und aldi-sued.de (rechte Spalte) in den Top 100 Suchergebnissen vorkommt. Dabei markiert die grüne Färbung den jeweils höheren Wert, Rot den niedrigeren und Blau die exklusive Präsenz:
Wie wir gut erkenne können, erzielt Aldi Nord für alle Suchphrasen, die eine Stadt beinhalten, für die eine Aldi Nord-Filiale zur Verfügung steht, die meisten Platzierungen. Google ist also klar, dass bei einer Suche nach „aldi dresden“ ein Ergebnis von Aldi Nord relevanter ist, als eines von Aldi Süd. Auf der anderen Seite fällt aber auch auf, dass die Trennschärfe für Aldi Süd deutlich höher ist. Beispielsweise zählen wir immerhin noch 52 Platzierungen für aldi-sued.de, die „berlin“ beinhalten. Schauen wir uns dazu die platzierten URLs und Suchphrasen etwas genauer an:
Zwar können wir keine prominenten Platzierungen für aldi-sued.de im Zusammenhang mit „berlin“ finden, allerdings scheinen diese auch recht Kontext-fern und stehen in keinem direkten Zusammenhang mit Aldi Süd. Zurückzuführen ist diese Unschärfe möglicherweise auf die nicht ganz optimale Verortbarkeit der Zielgruppen von Aldi Süd. Während Aldi Nord konkrete Inhalte für alle Filialen ausweist, bietet Aldi Süd einen für Google nicht eindeutig interpretierbaren Filialfinder.
Diese bessere geographische Trennschärfe dürfte Aldi Nord auch in den beiden Städten helfen, in denen beide Discounter existieren: Gummersbach und Siegen. So lassen sich in Siegen neben den Standort-bezogenen Ausweisungen (die allesamt Aldi Nord berücksichtigen) als erstes Suchergebnis aldi-nord.de finden. aldi-sued.de finden wir zum Zeitpunkt dieser Untersuchung auf der ersten Suchergebnisseite gar nicht.
Und auch in Gummersbach wird Aldi Nord bevorzugt eingeblendet:
Aber nicht nur in Siegen und Gummersbach treten die beiden Unternehmens-Schwestern als Rivalen auf. Auch und insbesondere im Internet unterscheidet die Zielgruppe bei der Suche nach Informationen nicht immer nach geographischen Gegebenheiten. Umso problematischer, wenn dann die Zielgruppe zum Konkurrenten weitergeschickt werden muss. Die folgende Abbildung zeigt Platzierungen von Aldi Süd, die sich nicht auf eine konkrete der Aldi-Schwester beziehen, oder aber die falsche meinen:
Die folgende Abbildung zeigt das nachvollziehbare Suchverhalten: die Verbraucher interessiert nicht, bei welchem Aldi sie online einkaufen, sondern nur, dass (bzw. ob) sie es können:
Strategische Aufgaben von aldi-nord.de und aldi-sued.de
Bislang ist ein klassischer Online-Einkauf bei Aldi nicht möglich. Welche Ziele verfolgen die Unternehmen also mit ihren Websites? Ein ganz wichtiges dürfte die Kommunikation von Angeboten sein, zu denen sich Interessierte vorab informieren und diese dann später in der Filiale kaufen können. Aldi stellt aber noch ein weiteres Thema in den Fokus: die Werbung neuer Mitarbeiter.
„Angebot“: Karriere vs. Schnäppchen?
Interessant ist dabei zu beobachten, dass die Inhalte zum Thema „Karriere“ von beiden Unternehmen unterschiedlich organisiert werden. Während Aldi Nord diese über einen Unterordner verwaltet, stellt Aldi Süd für diese eine eigene Subdomain unter karriere.aldi-sued.de zur Verfügung. Mit dieser Architektur generiert Aldi Süd mit 2. 673 Platzierungen deutlich mehr Präsenz als Aldi Nord mit 876 Platzierungen:
Es scheint so, als ob die Organisation über eine Subdomain effektiver wäre. Doch bei genauer Betrachtung fällt auf, dass beide Unternehmen massive Schwierigkeiten haben, mit „Karriere“-Kontext gute Platzierungen zu erzielen. Das folgende Stromliniendiagramm zeigt alle Platzierungen, die im genannten Kontext stehen. Jede Linie repräsentiert dabei eine Suchphrase, wobei auf den vier Zeitachsen die Platzierungen abgebildet werden.
Hier lässt sich gut erkennen, dass innerhalb des Beobachtungszeitraum von einem Monat keine Platzierungen auf die erste Suchergebnisseite gelangt sind. Damit verfehlt Aldi die eigenen Bemühungen bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter um ein gutes Stück. Denn lediglich explizite Suchvorgänge, wie bspw. „aldi nord job“ führen zu den bereitgestellten Angeboten.
Spielfeld vs. Reservebank
Damit wir verstehen können, warum Google den Karriere-Bereichen der Websites für generische Suchphrasen keinen Spielraum bietet, müssen wir die Suchergebnisse genauer untersuchen. Wie in der obigen Abbildung zu sehen war, existiert ein inhaltlicher „Bruch“ zwischen der ersten und der zweiten Suchergebnisseite. Google spielt alle mit eindeutiger Relevanz ausgezeichneten Inhalte auf der ersten Suchergebnisseite aus (Spielfeld). Potenziell oder ggf. später relevante Suchergebnisse zu einer Anfrage werden auf weiter hinten liegende Suchergebnisseiten platziert (Reservebank). Sollten diese bei einer Suchanfrage wichtig werden, dann kann der Suchende diese über einen Wechsel auf die zweite Suchergebnisseite sofort finden und ihnen so möglicherweise zu Platzierungen auf der ersten Suchergebnisseite verhelfen.
Welche inhaltlichen Unterschiede lassen sich nun zwischen erster und folgenden Suchergebnisseiten finden, die uns Hinweise auf die Strukturierungsmechanismen von Google geben könnten? Zur Beantwortung dieser Frage schauen wir uns einmal alle Platzierungen an, die eines der zweifelsfrei wichtigsten Keywords enthält: „angebot“. Wir zerlegen im Folgenden nun alle zugehörigen Suchergebnisse in ihre Einzelbegriffe und zählen diese. Diese Vorgehensweise wenden wir für die Platzierungen 1 bis 10 (also die erste Suchergebnisseite) und die Plätze 11 bis 100 (ab der zweiten Suchergebnisseite) an.
Die folgende Abbildung zeigt nun das Vorkommen aller Einzelbegriffe für Aldi Nord (erste Suchergebnisseite, folgende Suchergebnisseiten):
Wie wir hier gut erkennen können, finden wir auf der ersten Suchergebnisseite im Kontext „angebot“ nur solche Suchergebnisse, die sich auf eine Aldi-Filiale und ihre Angebote beziehen. Auch ab der zweiten Suchergebnisseite finden wir Suchphrasen, die „angebot“ beinhalten, hier jedoch primär im Kontext „Karriere“ (erkennbar an „ausbildung“, „stellenangebote“, „jobs“).
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung von Aldi Süd:
Halo-Effekt
Durch die semantische Überschneidung ist Google gefordert, eine Entscheidung im Hinblick auf die Klassifikation der Inhalte zu treffen. Da offenbar mehr Suchende Aldi als Lieferant für „Sonderangebote“ verstehen, soll hier nicht das Risiko eingegangen werden, bei der Suche nach „angebote job“ möglicherweise Büromaterialien oder Businesskleidung nicht zu berücksichtigen. Die Leitthematik „angebote“ scheint auch andere Bereiche zu überstrahlen, wie bspw. die angebotenen Rezepte.
Bei der Suche nach Aldi-Rezepten liefert bspw. Aldi Nord gute Platzierungen:
Für markenferne Suchphrasen gelingt kaum eine gute Platzierung. Die folgende Abbildung zeigt in der ersten Spalte die durchschnittliche Platzierung im Beobachtungszeitraum von einem Monat an:
Suchen wir explizit nach den Platzierungen, die über die angebotenen Rezeptseiten generiert werden, ergibt sich ein problematisches Bild:
Die generierten Platzierungen befassen sich hauptsächlich entweder mit Kontext-fernen, oder aber mit negativ assoziierten Suchanfragen, wie bspw. „abgelaufen“ oder „rückruf“. An dieser Stelle finden wir auch Platzierungen, die im „angebot“-Kontext stehen. Offenbar „überstrahlt“ diese Thematik auch andere inhaltliche Bereiche der Seite.
Fazit
Google ist im Umgang mit Aldi ein wenig „festgefahren“. Neben der Presales-Kommunikation zu den wöchentlichen Aldi-Angeboten leisten beide Domains nur unterdurchschnittliche Arbeit. Eine Optimierung weiterer Themenbereiche wäre unter den gegebenen Bedingungen massiv erschwert. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Google hier lediglich den Verhaltensweisen der Nutzer entsprechen möchte. Werden die Aldi-Domains primär als Kommunikationstool zu aktuellen Angeboten verstanden und genutzt, dann werden diese Informationen auch über gute Platzierungen empfohlen. Karriere und Rezepte mag der Website-Besucher bei Aldi, sofern man nicht explizit danach sucht, nicht im Vordergrund sehen.
Im Rahmen einer Suchmaschinenoptimierung legt eine solche Klassifikation allerdings ein strukturelles Umdenken nahe, sofern man die Presales-Kommunikation weiter ausbauen möchte. Und sollte es irgendwann zu einem Aldi-Online-Shop kommen, so wären besondere Vorkehrungen zu treffen. Die Nachfrage nach einem solchen Shop ist da, aber eine Unterscheidung zwischen Nord und Süd wäre nur schwer vermittelbar. Nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für Suchmaschinen. Konkurrenz Lidl ist hier bereits einen deutlichen Schritt weiter.